emblema da Universidade de Colonia com a imagem dos 3 reis magos

Prof. Dr. phil. Antonio Alexandre Bispo

ANAIS

neue diffusion
ein dokumentationsprojekt

ANAIS

Emblem der Bewegung Nova Difusão und des Centro de Pesquisas em Musicologia, gegr. S. Paulo 1968

Prof. Dr. phil. habil. Antonio Alexandre Bispo

Emblema da Academia Brasil-Europa ABE -Instituto de Estudos da Cultura Musical do mundo de língua portuguesa ISMPS
Kunstwissenschaft, Ästhetik und Musik. Excertos de aulas de Estética de A. A. Bispo


kunst/-wissenschaft

ästhetik & musik


vilém flusser
1920- 1991
dora ferreira da silva

1918-2006

Emblem der Bewegung Nova Difusão mit dem Centro de Pesquisas em Musicologia gegr. 1968

rückblicke - themen

lehrveranstaltungen in brasilien 1972-1974

fakultät für musik und kunsterziehung des musikinstituts são paulo
fachbereiche ästhetik, wahrnehmung, strukturaktionstheorie
fundamente der expression und kommunikation des menschen

vorausgehende studien und initiativen

kunst- und musikästhetik – paulo ramos machado 1966

paris/são paulo in kunst und musik des 20. jahrhunderts

gesellschaft neue diffusion / zentrum für forschungen in musikologie

museum zeitgenössischer kunst der universität são paulo 1968

fakultät für architektur der universität são paulo FAU/USP 1968
fakultät für philosophie der universität são paulo FFCL 1968

raul ferraz de mesquita – 30 jahre des internationalen kongresses in paris


kolloquium an der universität brasilia mit yulo brandão 1970

kreis cavalo azul – dora ferreira da silva
ästhetik und medienwissenschaft – vilém flusser 1970

neue diffusion
ein dokumentationsprojekt

Beim Studium im Fach Ästhetik an der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts von São Paulo standen notwendigerweise einleitend Fragen des Verständnisses von Ästhetik, ihres Gegenstands und ihres Verhältnisses zu Wissenschaft und Erziehung im Vordergrund. Die Auffassungen und Anschauungen verschiedener Denker in der Geschichte des ästhetischen Denkens wurden besprochen. Vor allem wurden jedoch die Sichten und Positionen brasilianischer Autoren in ihren Beziehungen zu internationalen Strömungen des Denkens Ziel von Relektüren und des Überdenkens. 


Das Interesse für Ästhetik erfuhr Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre eine bemerkenswerte Intensivierung, die von der Bestrebung nach Revisionen und Erneuerung von Denk- und Sichtweisen angesichts der Aktualität der Beschäftigung mit Informations- und Kommunikationstheorie, der Medien und des industriellen Designs geprägt war. Dieses Interesse offenbarte sich in Publikationen, in der Lehre – vor allem der Ästhetik an der Architekturfakultät der Universität São Paulo – sowie in privaten Kreisen, die Treffen organisierten und Schriften besprachenn, u.a. im Rahmen der Zeitschrift „Cavalo Azul“. 


Raul Ferraz de Mesquita war eine zu Unrecht vergessene Persönlichkeit, die durch das breite Spektrum ihres theoretischen und praktischen Interesses in Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Musik in kulturwissenschaftlich orientierten Studien eine erhöhte Aufmerksamkeit verdiente. 


Wie einige andere Kunsttheoretiker wie Décio Pignatari kam er aus einer Gemeinde im Inneren des Staates, nämlich der Stadt Limeira, was zum Verständnis seiner Anziehung zur Welt der kosmopolitischen Metropole, seines Drangs nach Internationalität, Wissen, Wissenschaft sowie seine ausgeprägte Begeisterung für technische Entwicklung, Fortschritt und Expansion erklären mag. Er wurde als Sohn von Elisa Ferraz und Gastão de Souza Mesquita (†1929) in Itú geboren, ein bedeutendes Zentrum der Bildung, des Denkens und vor allem des Musiklebens des Hinterlandes von São Paulo im 19. Jahrhundert, Ort des ersten Musikkongresses der Provinz und einer politischen Bewegung, die schließlich zur Aufrufung der Republik führte. 


Bereits in früheren Jahrhunderten war Itú durch die Bedeutung der Zuckerrohrplantagen im Hinterland von São Paulo ein Zentrum der Bildung, der Kunst und Musik mit überregionaler, ja nationaler Ausstrahlung, aus dem bedeutende Persönlichkeiten der Geistes- und Kulturgeschichte Brasiliens hervorgingen. Der Aufschwung der Kaffeeplantagen im 19. Jahrhundert begründete eine neue Phase wirtschaftlichen Wohlstandes, der sich auch auf das Kulturleben der Stadt auswirkte. 


Die Wiederbelebung des Jesuitenkollegs machte die Stadt zu einem bedeutenden Zentrum der kirchnemusikalischen Restauration im 19. Jahrhundert. Restaurative Bestrebungen verbanden sich mit konservativen politischen Tendenzen von Großgrundbesitzern der Fazendas des Inlandes. Das Netzwerk von einflussreichen Familien erstreckte sich über alte und neugegründete Städte des Hinterlandes. Mitglieder der Familie Ferraz de Mesquita hoben sich in der Geschichte vieler Städte São Paulos hervor und prägten die Kulturgeschichte von Städten wie Atibaia. Aus Itú stammten mehrere Studenten der Jurafakultät São Paulos, und auch Gastão de Souza Mesquita wurde zu einem einflussreichen Juristen, Richter und Minister des Justiztribunals des Staates. 


Raul Ferraz de Mesquita erhielt seit seiner Kindheit Klavier-, Musiktheorie- und Malunterricht und bereits in der Jugend hob er sich als Maler, Pianist und Komponist hervor. In seinem Hochschulstudium widmete er sich zugleich technischen und philosophischen Studien. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der Polytechnischen Hoschule S. Paulos und gehörte zu den ersten Absolventen der neuerrichteten Fakultät für Philosophie der Universität São Paulos. Diese Beschäftigung mit Musik, Malerei, Technik und Philosophie prägte sein Denken. 


Hauptberuflich befasste er sich als Leiter für Sanierungswesen des Staates mit Infrastrukturfragen und Finanzierung von Projekten der Erschließung des Landesinneren und der Urbanisierung. 1929/30 wirkte er als Geschäftsführer eines englischen Syndikats zur Förderung der Kolonisierung neu erschlossener Regionen Brasiliens. 


Zugleich befasste er sich mit medizinischen Fragen, was durch seine Berufstätigkeit im Sanierungs- und Sanitätsbereich sowie der Wasserversorgung verständlich erscheinen mag. So veröffentlichte er drei Schriften zu medizinischen Themen, bei denen er als Ergebnisse seiner Forschungen Ansichten zur Erneuerung der Medizin darlegte.Sein von Wissenschaftsglaube und Fortschritt geprägtes Denken äußerte sich auch in seinen Auffassungen über Kunst und Wissenschaften. 


Als akademischer Künstler, der in seiner Jugend eine akademische Ausbildung in der Landschaftsmalerei erhalten hatte, nahm Ferraz de Mesquita an Ausstellungen des Salão Paulista de Belas Artes in den 1930er Jahren teil. Von besonderer Bedeutung war seine Mitgliedschaft in der Association pour l'étude des Arts et les Recherches relatives à la Science de l'art in Paris. 


Diese Gesellschaft, die u.a. von Victor Basch – Lehrstuhlinhaber für Ästhetik und Kunstwissenschaft an der Sorbonne – und Charles Lalo (1877-1953) 1931 gegründert worden war – und die später die Société française d’esthétique wurde –, kam in ihrer Orientierung dem Denken von Ferraz de Mesquita entgegen. Auch war er von seiner Herkunft und Ausbildung her vom Positivismus von Auguste Comte geprägte und tendierte in seinem Denken zu soziologischen Auffassungen. 


Charles Lalo war bei Musikern und Intellektuellen São Paulos bekannt und folgte den Arbeiten der von ihm geleiteten Arbeitsgruppe zum Vocabulaire d’esthétique mit Interesse. Lalo war das Vorbild des Denkens von Ferraz de Mesquita, der auch die Ästhetik als eine Wissenschaft auffasste, dabei aber sozial- und kulturwissenschaftlich orientierte Verfahrensweisen verlangte. Die empirische Sozial- und Kulturforschung sollte Prinzipien und Mechanismen erkennbar werden lassen, die eine Wissenschaft der sinnlichen Wahrnehmung ermöglichten. 


Diese Bedeutung der Beobachtung, der Erfahrung und des Experimentellen einer empirischen Vorgehensweise erklärte auch seine Überzeugung, dass nicht nur Philosophen, sondern die Künstler selbst an der Entwicklung der Ästhetik als exakter Wissenschaft teilnehmen sollten. Philosophen – im weitesten Sinne des Begriffes – sowie Kunsthistoriker und -kritiker, bildende Künstler, Architekten und Musiker sollten für die Debatte über Ästhetik zusammengeführt werden. 


Ferraz de Mesquita nahm am Congrès international d’esthétique et de science de l’art in Paris 1937 mit einen Beitrag über den „wissenschaftlichen Geist Bachs“ teil. Damit knüpfte er auch an das Interesse für Bach im Rahmen der Bach-Bewegung an, das in diesen Jahren Brasilien erfasste. 1935 war in São Paulo die Bach-Gesellschaft gegründet worden und das Werk Bachs Gegenstand von Analysen und Betrachtungen philosophischer und musikwissenschaftlicher Natur. In seinen Studien behandelte Ferraz de Mesquita sein Thema der Wissenschaftlichkeit bei Bach im Sinne einer „arte pura“, die zum Schaffen seiner Fuguen führte.


In seiner alle Künste umfassenden Sichtweise entsprach Raul Ferraz de Mesquita Tendenzen des Denkens, die beim Pariser Kongress vertreten wurden. Der Dichter und Denkers Paul Valèry (1871-1945) wurde von ihm bewundert. Er berief sich auf diesen in der Meinung, dass hinsichtlich der Ästhetik nicht Theoretiker, sondern Kunstschaffende maßgeblich seien. Da er Ästhetik vor allem als Kunstästhetik verstand, verteidigte Ferraz de Mesquita die Ansicht, dass jegliche Kunst in erster Linie eine Technik ist, die angemessen nur von Sachkundigen, d.h. von Künstlern als „Techniker“, ästhetisch behandelt werden könnte. 


Text basierend auf Niederschriften der Lehrveranstaltungen zu Musikästhetik und kulturwissenschaftlich orientierter Musikwissenschaft von Prof. Dr. A. A. Bispo an den Universitäten Bonn und Köln 2002-2008